Kunst als Schaubühne - Kirchenerkundung

Vortrag am 31. Juli 2024

Es gibt viele gute Gründe, sich mit der St. Nicolai-Kirche zu beschäftigen,mit ihrer Geschichte, die bis ins frühe 13. Jahrhundert zurückgeht, mit ihrer Ausstattung, die überwiegend aus dem 17./18. Jahrhundert stammt, aber auch noch vorreformatorische Schätze umfasst. Und es gibt einen aktuellen Anlass: das nahende 500-jährige Reformationsjubiliäm der Kirchengemeinde, die im Juli 1526 protestantisch wurde.

Der spätgotische Flügelaltar

Höchst spannende Geschichten erzählt der spätgotische Flügelaltar mit seinen drei Darstellungsebenen:

- die Festtagsseite. Sie zeigt Szenen aus der Passionsgeschichte bis hin zu Auferstehung, Himmelfahrt und Jüngstem Gericht.

- die "evangelische Schauseite". Sie illustriert in acht Bildern das Glaubensbekenntnis.

- die "Beichtseite" mit hochformatigen Darstellungen des Moses (mit Gesetzestafel) und des Paulus (mit Schwert und aufgeschlagener Bibel).

Die nebenstehende Fotogravur aus dem Jahr 1867 zeigt die Festtagsseite des Altars, der damals noch auf der Predella (Unterbau des eigentlichen Altaraufsatzes in Form der Bundeslade - Zeichen des neuen Bundes) stand.

Die Predella

Die Altenbrucher Predella aus den Jahren 1610/20, die 1897 durch einen neugotischen Unterbau ersetzt wurde, ist glücklicherweise erhalten und findet sich heute an der Nordwand neben dem Altarraum. Sie wurde von dem Otterndorfer Bildhauer Michael Ringkmaker und zeigt in der Mitte Christus als Guten Hirten, flankiert von den Jüngern und Aposteln Petrus und Johannes.

Dr. Diederichs-Gottschalk regte in seinem Vortrag an, diese Predella zum Reformationsjubiläum der Kirche wieder an ihren ursprünglichen Platz zu stellen, nämlich unter den Altar.

Vortrag im Altarraum

Der Theologe und Kunsthistoriker Dr. Dietrich Diederichs-Gottschalk konzentrierte sich in seinem Vortrag auf den Altaraufsatz, den kunstvollen früheren Unterbau des Altars (die Predella), die reformatorische Geschichte der Kirche und Gemeinde - und auf die vielfältigen Schriften und Malereien im Kirchengestühl.

Der Gute Hirte

Die lutherische Auslegung der Aufgaben eines Guten Hirten stand im Mittelpunkt der Argumentation der Altenbrucher Gemeinde, sich von der katholischen Kirche zu lösen. 1526 hielten die Altenbrucher ihrem Kirchherrn, dem Domprobst Klencke in Bremen vor, er sei abwesend, mache es sich leicht, weide seine Herde nicht, habe sie - bildlich gesprochen - nicht vor dem Wolf geschützt und wolle trotzdem von ihrer Wolle und Milch leben. Christus als Guter Hirte ist denn auch in dieser Tradition die zentrale Figur in der Predella.

Literaturhinweis

Dietrich Diederichs-Gottschalk:

Kunst als Schaubühne - Die mittelalterlichen Kirchen des Landes Hadeln und ihre protestantische Ausstattung

Isensee Verlag Oldenburg, 2023, 518 Seiten; die Seiten 183-247 befassen sich mit St. Nicolai Altenbruch

Folgende Kirchen werden vorgestellt: St. Severi Otterndorf, St. Nicolai Altenbruch, St. Jacobi Lüdingworth, St. Wilhadi Ihlienworth, St. Nicolai Nordleda, St. Marien Neuenkirchen, St. Petri Osterbruch